Als kleine Motivationsspritze für diejenigen unter euch, die gerade erst mit dem Rennradfahren begonnen haben oder die noch überlegen, ob sie überhaupt einsteigen sollen, möchte ich euch heute von einem meiner bisherigen Highlights erzählen: dem Passo dello Stelvio (Stilfser Joch).
Letztes Jahr waren mein Freund und ich mit dem Wohnmobil in Deutschland, Österreich und Italien unterwegs. Eine genaue Reiseroute hatten wir nicht geplant – dass wir mit dem Rennrad zur Passhöhe des Stilfser Jochs fahren wollten, stand aber vor der Abreise schon fest. Bis zu diesem Urlaub belief sich meine Erfahrung in den Bergen auf einen Wanderurlaub in Bayern, als ich ungefähr zehn Jahre alt war. Mit dem Rennrad und Mountainbike war ich bislang nur auf profilierten Strecken im Oberbergischen und in der Eifel unterwegs gewesen. Dabei hatte ich zwar schon festgestellt, dass mir Anstiege am besten liegen und auch am meisten Spaß machen, ich kann jedoch nicht behaupten, dass ich eine genaue Vorstellung davon hatte, wie es ist, viele Kilometer am Stück ausschließlich bergauf zu fahren – ohne flache oder abschüssige Passagen, auf denen man sich erholen kann.
Am Tag vor unserer Stelvio-Bezwingung haben wir in Österreich eine Tour unternommen, die uns unter anderem über die Silvretta-Hochalpenstraße führte – zwischen Galtür und der Bielerhöhe mussten wir auf einem etwa 11 Kilometer langen Anstieg gut 450 Höhenmeter überwinden. Das lief überraschend gut, und ich war erleichtert, dass wir unsere Leistungsfähigkeit nicht vollkommen überschätzt hatten. Es schien also zumindest nicht aussichtslos, dass wir auch einen der legendärsten Pässe bewältigen könnten. Außerdem hatten wir perfektes Wetter erwischt und konnten auf 2.032 Metern Höhe den Ausblick auf die umliegenden Berge genießen.
Am frühen Nachmittag des folgenden Tages sind wir in Trafoi auf der Nordostrampe des Passo dello Stelvio gestartet. Ungefähr 14 Kilometer mit 1.200 Höhenmetern lagen vor uns. Im Tal war es über 20°C warm, und ich war froh, dass sich die ersten der berühmten Kehren noch unterhalb der Baumgrenze befinden, sodass wir die ersten Kilometer im Schatten zurücklegen konnten. Trotzdem fiel mir der Anfang ziemlich schwer. War ich vorher noch sehr zuversichtlich gewesen, bekam ich jetzt langsam den Verdacht, dass diese Fahrt mit viel Quälerei verbunden sein würde. Nach einem kurzen Stopp beschlossen wir, etwas langsamer weiterzufahren. Und siehe da, schon 1 km/h weniger macht auf einer so langen Strecke einen riesigen Unterschied. Plötzlich fühlte sich das Fahren relativ locker an. Spätestens als wir die Baumgrenze passiert hatten und das Ziel in Sicht kam, verwandelte sich die Quälerei in Genuss. Ich war, wie erwähnt, zum ersten Mal in meinem Leben so richtig in den Bergen, und die Aussicht auf die eis- und schneebedeckten Gipfel hat mich tief beeindruckt. Ein tolles Gefühl war es auch, die Namen der Profis, die den Pass beim Giro d’Italia erklommen haben, auf und neben der Straße zu lesen.
Oben angekommen haben wir natürlich das obligatorische Foto vor dem Schild gemacht, um das Erfolgserlebnis festzuhalten. Lange dort geblieben sind wir aber nicht. Zum einen war es auf 2.758 Metern Höhe deutlich kälter als im Tal, worauf wir nicht perfekt vorbereitet waren, zum anderen mussten wir auch noch einen Campingplatz für die Nacht suchen (der in Trafoi, auf dem wir ursprünglich bleiben wollten, war nicht geöffnet). Durch die Kälte war das Bergabfahren viel unangenehmer als das Bergauffahren. Ich hatte kaum Gefühl in den Fingern, was nicht gerade ideal ist, wenn man Serpentinen hinunterfährt und viel bremsen muss. Fürs nächste Mal merke ich mir, dass ich auf jeden Fall warme Handschuhe mitnehmen muss, und das kann ich auch nur jedem anderen raten.
Fazit: Wenn man sich als wenig erfahrener Radfahrer schon einmal an einen Pass heranwagen möchte, ist der Passo dello Stelvio kein schlechter Einstieg, weil es zwar stetig bergauf geht, aber gleichmäßig und nicht sonderlich steil (die durchschnittliche Steigung beträgt nur ca. 8 %) und man dadurch schnell einen Rhythmus finden kann. Mich hat die Erfahrung, nach einem guten Jahr Rennradfahren schon einen der bekanntesten Alpenpässe bewältigt zu haben, unheimlich motiviert. Wenn ich nach einem guten Jahr Rennradfahren vergleichsweise problemlos das Stilfser Joch bezwingen kann (wenn auch nicht im Rahmen einer langen Tour), was ist dann noch alles mit mehr Training möglich? Jeden, der auch zum ersten Mal in den Bergen Rennrad fahren möchte, kann ich nur dazu ermutigen. Solange man über eine gute Grundfitness verfügt, nicht direkt 150-Kilometer-Touren plant, sich seine Kräfte vernünftig einteilt und natürlich eine angemessene Übersetzung hat, braucht man sich keine Sorgen zu machen.
Die Vorfreude auf den Sommer steigt! Da bekommt man doch gleich Lust sich auf’s Rad zu setzen und loszufahren.
Stimmt! Wenn man endlich wieder mit kurzer Hose fahren kann, macht das Radfahren doch noch mehr Spaß 🙂
Tolle! Du hast es gut gemacht, ich habe es genossen, es zu lesen
Danke, Ben! In den nächsten Tagen übersetze ich alle Beiträge ins Englische, dann brauchst du auch nicht mehr Google Translate zu benutzen 🙂
Klingt nach einter schönen Strecke. Ich überlege gerade, wo mich eine Mehrtagestour über Pfingsten hinführen könnte 🙂
Je nach dem, wie weit von deiner Heimat es entfernt sein darf, kann ich auch den Schwarzwald sehr empfehlen. Jede Menge tolle Strecken, lange Anstiege mit schöner Aussicht und wenig Verkehr. Ich wünsche dir schon mal einen schönen Urlaub 🙂
Das wäre ja auch mal ein Erlebnis da hoch!
Ich liebe Uphills (auf dem MTB) aber mit dem Rennrad würde ich mich auch da mal rantrauen! Geht warscheinlich ohnehin besser den Berg hoch als mein 12kg Hardtail XC-MTB!
Ich vermute auch, dass es mit einem leichten Rennrad mit schmalen Reifen und wenig Rollwiderstand mehr Spaß macht, sich einen so langen asphaltierten Anstieg hochzuquälen 😉 Wobei ich auch den ein oder anderen gesehen habe, der mit dem MTB hochgefahren ist. Möglich ist es auf jeden Fall!
Ja gut, mit einem superleichten XC-Hardtail oder Fully und schmalen 2.2 Reifen mit geringem bis so gut wie keinem Profil ist das sicher auch machbar!
Ich fahr aber Nobby Nics in 2.4 und dann ist das nicht mehr so spassig, vor allem weil das Bulls Copperhead 3 ‚Karl Platt‘ in XL immerhin 11,9 kg mit allen Anbauteilen wiegt!