„Eine Geburt ist ein Marathon, und kein Marathonläufer würde sich an die Startlinie stellen, ohne vorher trainiert zu haben.“ So formulierte es die Hebamme, die unseren Geburtsvorbereitungskurs leitete, und riet allen Teilnehmerinnen, sich bis zur Entbindung noch möglichst viel zu bewegen.
Ich hatte es mir schon während der Schwangerschaft fest vorgenommen, und jetzt, da unser Sohn schon fast neun Monate alt ist, setze ich es endlich um: Ich möchte euch erzählen, wie ich mich in der Schwangerschaft fit gehalten habe, vor allem weil ich zu Beginn der Schwangerschaft selbst nach Erfahrungsberichten von anderen schwangeren Hobbysportlerinnen gesucht habe, aber nicht viele finden konnte.
Zwei Dinge vorab: Ich bin natürlich keine Ärztin oder Hebamme, sondern möchte nur darüber schreiben, wie es mir persönlich ergangen ist – nichts ersetzt ein Gespräch mit einer Person vom Fach. Außerdem ist es auch immer wichtig, auf das eigene Gefühl zu hören – wenn ihr euch während der Schwangerschaft mit dem Gedanken, weiterhin Sport zu treiben, nicht wohlfühlt, auch wenn keine medizinischen Gründe dagegen sprechen, dann solltet ihr euch vielleicht nicht dazu zwingen, sondern es stattdessen z. B. beim Spazierengehen belassen.
Nun zu meinen Erfahrungen: Als ich im Mai 2019 einen Schwangerschaftstest machte, der positiv ausfiel, war es wichtig für mich, mit meiner Frauenärztin über das Thema Sport während der Schwangerschaft zu sprechen: Konnte ich überhaupt weiter Sport treiben? Falls ja, was musste ich dabei beachten? Ich habe einen sehr großen Bewegungsdrang, und es wäre mir vermutlich schwergefallen, bis zur Entbindung ganz auf Sport zu verzichten.
Meine Frauenärztin ermutigte mich aber, weiterhin Sport zu treiben, weil es gut für die körperliche Gesundheit von Mutter und Kind ist und weil es sich auch positiv auf die Psyche auswirkt. Außerdem sagte sie, dass gerade die Sportarten, die ich hauptsächlich betreibe – Radfahren und Laufen –, gut sind, weil dabei die Beine viel bewegt werden und dadurch das Thromboserisiko sinkt. Genaue Herzfrequenzwerte, die ich nicht überschreiten sollte, konnte sie mir nicht nennen, weil diese Werte individuell sind; sie sagte mir lediglich, ich solle nicht außer Atem kommen, damit das Kind genug Sauerstoff erhalte, und keine neuen Sportarten ausprobieren, an die mein Körper nicht gewöhnt sei.
Nach diesem Arzttermin war ich sehr beruhigt und erleichtert, und in den nächsten Monaten bin ich weiterhin Rad gefahren, gelaufen und habe Krafttraining gemacht. Es war gar nicht viel anders als vor der Schwangerschaft – ich habe lediglich möglichst darauf verzichtet, auf der Straße zu fahren, weil mir das Unfallrisiko dort zu hoch war. Stattdessen bin ich mit dem Rennrad auf der Rolle und mit dem Mountainbike durch den Wald gefahren, was mit dickem Bauch von der Sitzposition her am angenehmsten war. Und auch wenn man sich in erster Linie nicht an Zahlen, sondern am eigenen Gefühl orientieren sollte, habe ich meine Laufuhr und meinen Fahrradcomputer so eingestellt, dass ich meine Herzfrequenz immer im Blick hatte, und darauf geachtet, 160 Schläge pro Minute (ca. 85 % meiner maximalen Herzfrequenz) nicht zu überschreiten. Dadurch musste ich zwar manchmal mit 3 km/h bergauf kriechen, aber das war ein gutes Gleichgewichtstraining für mich 😉 Beim Krafttraining habe ich die Gewichte reduziert und dafür mehr Wiederholungen gemacht. Außerdem habe ich die Übungen weggelassen, die die Bauchmuskulatur beanspruchen.
Im August/September habe ich sogar wieder die Zwift Academy absolviert. 2019 bestand sie aus acht Workouts und vier Gruppenfahrten bzw. Rennen. Damit ich die Workouts durchführen konnte, ohne dass die Herzfrequenz in die Höhe schnellte oder ich außer Atem kam, habe ich den FTP manuell gesenkt (vor der Schwangerschaft lag er beim Indoortraining bei etwa 3,7 W/kg, am Ende der Zwift Academy hatte ich ihn auf 2,3 W/kg gesenkt). Auch wenn ich die Zwift Academy letztes Jahr nicht mit dem Ziel mitmachen konnte, fitter zu werden, sondern eher mit dem Ziel, möglichst wenig Fitness zu verlieren, waren das Programm selbst und der Gruppenzusammenhalt wieder einmal sehr motivierend. Durch die Facebook-Gruppe (CANYON//SRAM Racing | Zwift Academy) hatte ich außerdem Kontakt zu zwei anderen schwangeren Teilnehmerinnen, was mich zusätzlich angespornt hat, alle Workouts und Gruppenfahrten zu beenden. Mittlerweile hat Zwift übrigens spezielle Workouts für schwangere Radfahrerinnen entwickelt, und in den Folgen 55 und 57 des Zwift-Podcasts (Zwift PowerUp Cycling Podcast) dreht sich alles um Radsport während der Schwangerschaft und den Wiedereinstieg nach der Geburt.
Ab November bin ich vom Radfahren und Laufen aufs Walken umgestiegen, was nicht daran lag, dass ich mich zum Radfahren und Laufen nicht mehr in der Lage fühlte, sondern daran, dass ich vor allem beim Radfahren mindestens alle 20 Minuten eine Pipipause einlegen musste. Hinzu kam, dass wir letztes Jahr ein Haus gebaut haben, Ende Oktober/Anfang November umgezogen sind und ich nicht das Risiko eingehen wollte, mich durch den Umzug und zusätzlich auch noch Sport körperlich zu überlasten, ohne es zu merken.
Ein bisschen hängt es sicherlich mit Glück zusammen, dass die Schwangerschaft und Geburt sehr gut für mich verliefen, aber ich bin mir sicher, dass es auch mit der vielen moderaten Bewegung zu tun hatte: Ich hatte in der gesamten Schwangerschaft keine Rückenschmerzen, fühlte mich nie schlapp und war immer ziemlich ausgeglichen. Außerdem habe ich mit 13 kg im für meine Größe und mein Ausgangsgewicht empfohlenen Rahmen zugenommen. Die Geburt war natürlich anstrengend und schmerzhaft, aber ich konnte während der Wehen noch sehr lange herumlaufen, was laut unserer Hebamme den ganzen Prozess beschleunigte.
Auch wenn das Kind da ist, schadet es natürlich nicht, möglichst fit zu sein – die meisten Babys lieben es ja, herumgetragen und herumgefahren zu werden.
Ich hoffe, ich konnte vor allem Frauen, die gerade schwanger sind und gerne weiterhin Sport treiben möchten, helfen, sich nicht von anderen verunsichern und davon abhalten zu lassen, sofern keine medizinischen Gründe dagegen sprechen. Auch ich habe immer wieder mal gehört: „Du läufst noch? Das würde ich mich an deiner Stelle nicht trauen.“ Oder: „Rad fahren wirst du ja jetzt sowieso nicht mehr.“ Zum Glück waren das in meinem Fall aber nur Ausnahmen; in meinem engsten Umfeld haben mich alle mit meinem Wunsch, aktiv zu bleiben, unterstützt.